Aufeinander zugehen

Aufeinander zugehen

Viele Menschen sind derzeit am Limit. Ein erneuter Lockdown, Horrormeldungen jeden Tag, unterschiedlichste Sorgen und Ängste. Aufeinanderprallende Ansichten öffnen eine tiefe Kluft quer durch Familien, Freunde, Arbeitskollegen. Wer Wortmeldungen in den sozialen Medien verfolgt, dem kann eigentlich nur schlecht werden, angesichts des mittlerweile offen gezeigten Hasses.

So eng die Menschen zusammengerückt sind, vor mittlerweile 21 Monaten, so weit auseinander stehen wir heute gefühlt. Was steckt hinter der Wut, dem Unverständnis, dem „Nicht-mehr-aufeinander-zugehen“? Nicht immer, aber ganz oft versteckt sich hinter der Wut die „kleine Schwester“, die Trauer. Trauer, dass nichts mehr ist, wie es war. Dass Vieles, was uns lieb und wertvoll war, verloren gegangen ist.

Ich persönlich sehe anders als die Medien keine zwei Lager, sondern ganz ganz viele Einzelschicksale, die das Verständnis füreinander verloren haben. Das, was uns beschäftigt, ist so vielfältig wie wir Menschen selbst. Nackte Angst ums Überleben. Um unsere Nächsten. Davor, wovon wir leben sollen. Was die Krise mit unseren Kindern macht. Ob wir je wieder unbeschwert leben können.

Aber anstatt das auszusprechen, direkt heraus zu sagen „mir macht Angst, dass...“, fällt es uns unglücklicherweise leichter, mit dem Finger auf andere zu zeigen, die vermeintlich schuld sind an der Misere. Die alles nicht ernst genug nehmen. Oder zu ernst. Oder irgendwo zwischendrin.

Was können wir also tun, damit wir uns zumindest von Menschen, die uns nahestehen, nicht noch weiter entzweien? Ich gebe ein paar Tipps, die aus der Paarberatung kommen – auch hier ist es ja wichtig, ins Gespräch zu kommen, anstatt die Fronten zu verhärten ;-)

Oft ist es schon ein erster winziger Schritt, sich selbst zu hinterfragen: Worauf die eigene Angst oder der eigene Ärger begründet ist. Dann kann der eigene Standpunkt offener und wertschätzender, aber auch verständlicher transportiert werden.

Zusätzlich ist es natürlich auch sinnvoll, sich an der Nase zu nehmen und zu schauen, ob man dem anderen auch wirklich zuhört und bereit ist, sich auf eine andere Ansicht einzulassen, anstatt einfach abzuwinken.
Beide Ansichten zulassen: zu sagen „ich nehme deine Bedenken und deine Meinung ernst, gleichzeitig macht mir Angst, dass...“. So dürfen beide Ansichten bestehen bleiben und keine davon wird abgewertet.
„Ich-Botschaften“: statt „du machst... falsch“ sagen „ich würde mir wünschen, dass du....“

Gemeinsamkeiten suchen: oft sind die Meinungen gar nicht so weit auseinander, wie man denkt, sondern es gibt durchaus Aspekte, bei denen beide gleicher Meinung sind.
So wird das Verbindende über das Trennende gestellt.
Wenn gar nichts anderes mehr geht: das Thema aussparen, wenn klar wird, dass man hier unterschiedlicher Meinung ist, auch bleiben wird, und das Gespräch nur im Streit enden würde. Es gibt ja schließlich auch noch andere Themen...

Und wenn auch das nicht funktioniert: Hilfe suchen.
Dafür sind wir psychologischen Beraterinnen und Therapeuten da.
Es wäre ja schade, wenn die große C-Krise eines Tages weg ist,
und mit ihr Menschen, die uns wichtig sind.


Hinweis: alle psychologischen Beratungen und Therapien sind auch im Lockdown ohne Einschränkungen möglich.


Lebens- und Sozialberaterin Birgit Gschwandtner
Praxis LebensWert

Veröffentlicht am 25.11.2021