Das freie Mandat und sein Verständnis

Das freie Mandat und sein Verständnis

Alle Gemeinderäte werden nach einer Gemeinderatswahl mit folgender Formel angelobt:

„Die Mitglieder und die anwesenden Ersatzmitglieder des neu gewählten Gemeinderates haben dem Vorsitzenden gegenüber mit den Worten „ich gelobe“ das Gelöbnis abzulegen, die Bundesverfassung und die Landesverfassung sowie alle übrigen Gesetze und alle Verordnungen der Republik Österreich und des Landes Oberösterreich gewissenhaft zu beachten, ihre Aufgabe unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen, das Amtsgeheimnis zu wahren und das Wohl der Gemeinde nach bestem Wissen und Gewissen zu fördern“.

Es ist auffällig, das hohe Bundesfunktionäre der ÖVP immer wieder betonen, dass das Gebot des freien Mandates in der ÖVP einen absoluten Stellenwert einnimmt. So hat die damalige Ministerin Maria Fekter am 10.September 2011 folgendes Interview gegeben:

„Wir sind eine Partei in der Meinungsfreiheit herrscht und das auch, wenn diese Meinungsfreiheit manchmal schmerzlich sei. Einen Kadergehorsam gibt es in der ÖVP nicht.“

Weiters zitiere ich Werner Amon, Generalsekretär der ÖVP, der es notwendig fand, kurz nach seinem Amtsantritt folgendes Statement abzugeben: „ Als ÖVP gibt es für uns ein klares Ziel: Wünsche, Probleme und Sorgen der Bevölkerung anzuhören und danach zu handeln.“

Diese Vorgaben der Bundespartei scheinen sich noch nicht bis zur ÖVP-Ortsgruppe St. Lorenz herumgesprochen zu haben.

Soweit ich das feststellen kann gibt es im Gemeinderat keine Fraktion, die sich so wenig an den Wünschen, Problemen und Sorgen der Bevölkerung orientiert wie die ÖVP- Fraktion. Ich rede von der Bevölkerung, vom übergeordneten Gemeinwohlinteresse und nicht von Eigeninteresse und Interessengruppen.

Bestes Beispiel dafür sind die zurzeit heftig diskutierten Genehmigungen des Bürgermeisters zur Errichtung von überdimensionierten Wohnblöcken in verschieden Wohnsiedlungen der Gemeinde.

Auch zum Thema freies Mandat versus Kadergehorsam hat man in St. Lorenz eine ganz eigene Einstellung. Im letzten Herbst wagten MandatarInnen in einer Abstimmung sich der Stimme zu enthalten. Nachdem sie trotz gründlicher Versuche nicht auf Parteilinie gebracht werden konnten, haben sie freiwillig, unfreiwillig auf die Teilnahme bei der nächsten Sitzung verzichtet und wurden durch Ersatzmitglieder ersetzt. Dies wiederholte sich mehrmals. Höhepunkt dieser Vorgangsweise war der Rücktritt des ÖVP-Fraktionsobmanns Ende November letzten Jahres. Er wollte sich offensichtlich nicht weiter unter Druck setzen lassen und bestand auf seinem freien Mandat – das man ihm anscheinend nicht gewähren wollte. Bei der letzten Sitzung 2016 des Gemeinderates musste der Bürgermeister kurz vor Sitzungseröffnung feststellen, dass trotz der Einberufung von drei Ersatzmitgliedern keine Mehrheit für die ÖVP möglich war. Der entsprechende Tagesordnungspunkt wurde daher einfach abgesetzt. Dies steht meiner Meinung krass im Widerspruch zu einem demokratischen Mindestverständnis. Kein Wunder, dass sich hohe ÖVP-Funktionäre zu obigen Stellungnahmen genötigt sehen.

Ich wünsche mir daher für die Zukunft, dass jede/r Mandatar/in das Mandat frei ausübt, dass der politische Kadergehorsam endlich abgelegt wird und Abstimmungen ausschließlich dem Allgemeinwohl und der Weiterentwicklung der Gemeinde dienen und nicht parteipolitischen Einzel- und Gruppeninteressen.

Peter Hiller

Freies Mandat bedeutet, dass der gewählte Gemeinderat sein Mandat frei ausübt und dafür niemandem gegenüber verantwortlich ist. Der Mandatar als Träger des freien Mandats ist insbesondere an keine Aufträge der Wähler, seiner Partei oder seiner Fraktion gebunden, sondern nur an sein Gewissen.

Veröffentlicht am 19.05.2017