Die Zeitgenossen von Ötzi und die Mondseekultur

Die Zeitgenossen von Ötzi und die Mondseekultur

Ötzi war am Ende einer langen Reise
von Alexander Binsteiner


Die Forschungen zur Todesursache der Eismumie vom Tisenjoch gehen in eine neue Runde. Nachdem nun endgültig feststeht, dass die Ausrüstung des Gletschermannes abgenützt und schadhaft war, geht man aktuell davon aus, dass er vor seinem Tod seit Längerem unterwegs gewesen sein muss. Besonders seine Lederkleidung, seine Waffen und Geräte waren arg in Mitleidenschaft gezogen. So war die Spitze seines Feuersteindolches gebrochen und konnte nicht erneuert werden. Auch hatte er nur noch zwei abschussbereite Pfeile in seinem Köcher. Dem Rest der Pfeilschäfte fehlte die Feuersteinspitze. Offenbar war er in den Bergen vom Nachschub mit Rohfeuerstein abgeschnitten.

 

Foto A.Binsteiner

Die gestielte Pfeilspitze von Ainring aus dem oberitalischen Lessinischen Feuerstein. Im Hintergrund CT des Eismannes mit der Pfeilspitze in der linken Schulter. Beide Spitzen nahezu identisch und 2,8 cm lang. (Bild: A. Binsteiner; CT Ötzi, E. Egarter Vigl, Abt. Radiologie, Zentralkrankenhaus Bozen)


Die Zeitgenossen des Ötzi kamen bis zum Mondsee und unterhielten regelmäßige Beziehungen zur Mondseekultur. Das zeigen Feuersteinklingen aus den Lessinischen Bergen (Monti Lessini) nördlich von Verona, die in den Pfahlbauten von See am Mondsee gefunden wurden. Auch die Feuersteingeräte des Eismannes stammten aus diesen Minen. Ein Kupferbeil, fast identisch mit dem des Ötzi, aus Grabenstätt am Chiemsee beweist aber dann endgültig die intensiven Kontakte ins Nördliche Alpenvorland.


Von Oberösterreich und das Salzburger Land über den Chiemgau und Niederbayern bis an den Bodensee und die Schweizer Seen finden sich immer mehr Spuren der oberitalischen Händler der Ötzi-Ära des vierten vorchristlichen Jahrtausends.

 

Foto2 A.Binsteiner

Im Vordergrund Kupferbeil von Grabenstätt am Chiemsee (Länge 11,4 cm), typisch für die oberitalische Remedello-Kultur mit aufgehämmerten Randleisten zur besseren Schäftung. Nahezu identisch ist das Kupferbeil des Ötzi, vollständig erhalten mit Stiel (Bilder: A. Binsteiner).


So fand sich in Ainring im Landkreis Berchtesgadener Land eine Lessinische Feuersteinpfeilspitze, die mit einer Länge von 2,8 cm und in der Machart mit einem sogenannten Schäftungsdorn identisch mit dem Projektil in Ötzis linker Schulter ist.
Mit diesem Fund ist die Herkunft des Täters, der den tödlichen Schuss auf den Gletschermann abgegeben hat, wieder völlig offen. Er muss damit nicht zwangsläufig aus dem Süden stammen, wie das bisher allgemein angenommen wurde.


Alexander Binsteiner, 63, war unter Konrad Spindler leitender Geologe im Eismann-Projekt an der Universität Innsbruck. Er untersuchte Ötzis Feuersteingeräte. Heute lebt er als Geoarchäologe und Autor im Ruhestand im Böhmischen Hochland an der Grenze zu Niederösterreich.

Veröffentlicht am 10.08.2019