


Die Schöpfung bewahren - Gedanken eines Visionärs
Franz Muhr, den viele Mondseer kennen, gilt für manche als Anders-Denker und Visionär in Fragen, die unsere Zukunft betreffen. Zum Thema „Die Bewahrung der Schöpfung“ führte Josef Löberbauer das folgende Gespräch:
Josef Löberbauer: Obwohl dich in Mondsee wahrscheinlich viele kennen, möchte ich dich doch bitten, uns die wichtigsten Stationen deines Lebens kurz zu schildern.
Franz Muhr: "Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ Die Ortschaft Asten, Gemeinde Frankenmarkt, wo ich 1952 auf einem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb geboren wurde, war so ein Dorf.
Hier wurde ich in meiner Kindheit, was Achtsamkeit und Ehrfurcht vor der Schöpfung anbelangt, mitunter auch durch „handfeste“ Argumente, nachhaltig geprägt. Als Schüler durfte ich mit zehn einer Jungschargruppe beitreten. Das war damals, anfangs der 1960er-Jahre, eher die Ausnahme als die Regel.
Nach der Pflichtschulzeit habe ich dann selber jahrelang Jungschargruppen geleitet. Relativ jung, mit 16 1/2 wurde ich zum Jungschar-Dekanatsleiter gewählt. Auch in der KJ (Kath. Jugend) war ich bis zum Heiraten aktiv tätig.
Schmiedelehre, Grundwehrdienst bei der Gardemusik, fünf Jahre Schweißer im „Arbeiterparadies“ Chemiefaser Lenzing und ein Jahr Dreher bei Fa. Berger waren meine beruflichen Stationen vor der Hofübernahme. 1975 haben Maria Dittlbacher und ich Hochzeit gefeiert und ich bin auf den „Kaiserhof“ nach Innerschwand gezogen. 1979 haben Maria und ich den Hof von meinen Schwiegereltern übernommen. Wichtige Stationen in meinem Leben waren auch die Umstellung auf Biolandwirtschaft und die bäuerliche Direktvermarktung sowie das Engagement im Feuerwehrkommando.
Nach Pensionsantritt wurde der Hof 2010 an Sohn Markus und Schwiegertochter Monika übergeben.
J.L.: Und wie bist du dazu gekommen, anders zu denken, was war der Anstoß?
F.M.: Ich habe auf der Jugendburg Altpernstein singen und im Bildungshaus Puchberg denken gelernt. Damit will ich sagen, dass ich im religiös/kirchlichen Umfeld sozialisiert wurde. In dieser Zeit wurden auch meine Wertvorstellungen geprägt.
Im Vergleich zu den Partei-Jugendorganisationen haben wir bei den kirchlichen Jugendorganisationen weitreichende Freiheiten gehabt. Das sich auch auf unser Denken und Handeln ausgewirkt. Ein wesentlicher Anstoß, anders zu denken und anders zu handeln, war, wie 1987 der damalige Landwirtschaftsminister Josef Riegel seine ökosozialen Ideen propagiert hat.
Das hat eine wahre Gründerwelle ausgelöst. In diese Zeit fällt auch der Beginn der bäuerlichen Direktvermarktung im Mondseeland. Und schrittweise wurde bei mir damit der Wandel vom „Ökosaulus“ zum „Ökopaulus“ in Gang gesetzt.
„Wer pilgert, kehrt verwandelt heim.“ Der Pilgerweg VIA NOVA ist als Wegweisung ins 21. Jhdt gedacht. Einer der sieben Leitsätze hat die Überschrift „Achtsamkeit und Ehrfurcht vor der Schöpfung“. Diesen Leitsatz verwende ich am häufigsten bei der inhaltlichen Gestaltung meiner Pilgerangebote.
J.L.: Kannst du uns einige Projekte und Ideen, die du hast und auch versuchst, gemeinsam mit anderen konkret umzusetzen, nennen?
F.M.: An erster Stelle steht hier der Gemeinschaftsgarten der Mondsäer. Für mich ist das die reinste Freude, was sich hier an neuen Formen der Kooperation, des Austausches und des lebendigen Miteinanders entwickelt hat. Und die Entwicklung geht weiter.
Bei der FUMO wird zurzeit die Strategie für die neue LEADER-Periode erarbeitet. Hier wollen wir Mondsäer uns bei Themen wie Biodiversität, Klimaschutz, Ernährungswende, Ernährungssouveränität mit unseren Erlebnissen und Erfahrungen einbringe. Dabei ist es ein Herzenswunsch der Mondsäer Gemeinschaftsgartengruppe, Netzwerke zu bilden, für Arbeitsteilung voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu ermutigen.
Apropos Ernährung: Auf pfarrlicher Ebene hat sich vor einem Jahr eine Initiative gebildet zur Bewahrung der Schöpfung und für ein lebendiges Miteinander. Die Idee dieser Gruppe ist eine Bühne zu schaffen zum Sichtbarmachen und zur Vernetzung derer, die sich seit Jahren den Kopf darüber zerbrechen, wie eine lebenswerte Welt von morgen ausschauen kann. Essen im Sinne von „Mahl halten“ bzw. „Mahlgemeinschaft“ spielt dabei eine zentrale Rolle. In Zeiten des Klimawandels braucht es zu Themen wie Bodenfruchtbarkeit, Ressourcenverbrauch, Regenwassermanagement etc. kluge Antworten auf Fragen im Sinne von: „Was müssen wir heute tun, damit wir morgen nicht von gestern sind?“
J.L.: Was können wir kleinen Leute abseits der großen Politik zur Bewahrung der Schöpfung tun?
F.M.: Die da „oben“ und „wir hier unten“ ist nicht das Bild einer engagierten und verantwortungsbewussten Zivilgesellschaft. Es geht darum, einen Freiraum zu schaffen, wo Bürger/-innen zu aktiven Akteur/-innen werden und vieles ausprobieren können. Wenn sich Bürger/-innen ein paar Jahre für die Gemeinschaft (ehrenamtlich) engagieren, dann hilft das der Gemeinde und den verantwortlichen Personen auch persönlich. Es zeigt sich immer wieder, dass die Leute dabei auch in ihrer Persönlichkeit sehr stark wachsen. Um all das erkennen zu können, müssen wir lernen, WO wir hinzusehen haben.
J.L.: Du wirst ja auch bei manchen auf Widerstand stoßen. Wie gehst du damit um?
F.M.: Sich Widerständen zu stellen, würde ich - so wie viele andere auch - gerne vermeiden, weil ich damit überfordert bin. Wenn die Widerstände mich alleine betreffen, dann ignoriere ich sie, soweit es möglich ist. Wenn eine Gemeinschaft betroffen ist, wie z.B. bei den Mondsäern, geht es besser. Da sind Leute da, die mir den Rücken freihalten.
J.L.: Glaubst du, dass ein gesellschaftlicher Wandel die Menschen befähigt, die zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen?
F.M.: Ja, absolut. Hier vertraue ich auf die Jugend. Die zeigt es uns eh schon vor, wohin die Reise gehen soll: Gut leben, statt viel haben, Zeit-Wohlstand statt Geld-Wohlstand, verantwortungsvolles Umweltbewusstsein etc. All das lässt einen hoffnungsfroh in die Zukunft gehen.
J.L.: Ich danke dir für das Gespräch!
Dieses Interview stammt aus der Pfarrzeitung der Pfarre St. Michael Mondsee - 46.Jg / 2021-22 / Nr. 2