Produktpiraterie vor 5500 Jahren

Produktpiraterie vor 5500 Jahren

Produktpiraterie vor 5500 Jahren - Feuersteinsicheln „made in Bavaria“ waren eine begehrte Handelsware in der Mondseekultur

von
Alexander Binsteiner

Neuesten Untersuchungen zufolge stammte ein beträchtlicher Teil der großformatigen Ernte- und Schneidegeräte der jungsteinzeitlichen Mondseekultur aus Bayern.
Bis zu einem Drittel der Sichelblätter aus Plattenhornsteinen wurde aus dem niederbayerischen Abbaugebiet von Baiersdorf im Altmühltal importiert. Den Rest ihres Bedarfs ahmten die Steinschmiede an Mond- und Attersee dann nach genauem Vorbild der bayerischen Importe aus heimischen Hornsteinen nach- Produktpiraterie vor 5500 Jahren.

Den letzten Hinweis gab ein perfekt gearbeitetes Sichelblatt aus der Pfahlbaustation von Attersee am Attersee. Der wertvolle Fund, von dem es bislang nur eine schlechte sw- Fotografie aus den 1960-er Jahren gab, galt lange Zeit als verschollen. Bei einer erneuten Materialaufnahme im Zuge einer Ausstellungsvorbereitung tauchte er jetzt im Heimathaus Vöcklabruck wieder auf und konnte unlängst im Nordico Linz unter einem Spezialmikroskop untersucht werden.

Ohne Zweifel stammt die Sichel aus der bayerischen Altheimer Kultur, deren größtes Abbaugebiet für Plattenhorrnsteine in Baiersdorf bei Riedenburg im Altmühltal lag. Von dort wurde das Stück in einem Zeitraum zwischen 3800 und 3400 v. Chr. bereits als Fertigprodukt direkt in die Siedlung am Attersee verhandelt.

Eine identisch gearbeitete Sichel kannte man bereits aus dem Pfahlbau von See am Mondsee. Sie stammt aus der Sammlung von Matthäus Much, der 1870 die Mondseekultur entdeckte. Sie liegt heute in der Sammlung des Institutes für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien. Die Überraschung war groß, als sich herausstellte, dass diese Sichel nicht aus bayerischem Material, sondern aus einem heimischen Plattenhornstein angefertigt wurde, der in den Ablagerungen der Oberalmer Kalke im Salzburger Land gewonnen worden war. Offensichtlich konnten die Pfahlbauer der Mondseekultur die großformatigen Sicheln aus Niederbayern perfekt nachbauen. Heute steht fest, dass nur ein Drittel der Erntesicheln und Messer aus Bayern stammt. Bislang ging man in der Forschung davon aus, dass sämtliche Geräte als Importware an Mond- und Attersee kamen.

Die Nachahmerprodukte aus heimischen Hornsteinen waren in Form und Ausführung erstklassige Kopien der bayerischen Importware. Nur die Qualität des Oberalmer Rohmateriales blieb leicht gegenüber den bayerischen Originalen zurück.

So wurden die Mondseesicheln nicht nach Bayern getauscht, weil dort kein Bedarf an diesen Produkten bestand. Vielmehr waren die bayerischen Siedler der Altheimer Kultur am Kupfer und Salz der Pfahlbauer interessiert.

 

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Sichelblätter der Mondseekultur aus Plattenhornsteinen

1 Klassische Sichel der bayerischen Altheimer Kultur aus Baiersdorfer Plattenhornstein; Fundort: Pfahlbau Attersee am Attersee. Unlängst wiederentdeckt im Heimathaus Vöcklabruck, Länge 15,3 cm;
2 Nachgebaute Sichel der Mondseekultur aus Oberalmer Plattenhornstein; Fundort: See am Mondsee, Sammlung Much, Inst. f. Ur- und Frühgeschichte Wien, Länge 19,1 cm.

 

Zu sehen ist die Sichel aus Attersee zusammen mit anderen Importstücken aus Bayern derzeit im Nordico Museum der Stadt Linz in der Präsentation „Urbayerisches in Oberösterreich“



Dipl.Geol.Univ. Alexander Binsteiner

Geologe, Geoarchäologe und Paläontologe

Internationales Büro für Geoarchäologie

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Veröffentlicht am 07.12.2015