Neues zum „Mondsee-Tsunami“ - Warum die Wellen der Empörung bei den Pfahlbauern so hoch schlagen

Die Dokumentation „Mystisches Salzkammergut“ von Servus TV am Freitag Abend sorgt im Wiener Kuratorium für Pfahlbauten für Unmut.

Ein Kommentar von Alexander Binsteiner

Das Wort „Tsunami“ bedeutet ursprünglich „Welle im Hafenbecken“. Japanische Fischer prägten diesen Ausdruck, als sie zurück vom Fischfang kamen und Verwüstungen in ihrem Hafen vorfanden. „Mondsee-Tsunami“ passt also nicht schlecht für das, was sich vor rund 5500 Jahren in der heutigen Ortschaft See am Mondsee zugetragen haben könnte.

Mit umfangreichen Forschungsmitteln, welche die Allgemeinheit zu tragen hat, suchen derzeit Unterwasserarchäologen in zwei Meter Wassertiefe ein Abenteuer der besonderen Art. In See am Mondsee hoffen sie Antworten auf die alte Frage zu finden, warum die Mondseekultur untergegangen ist.

Wissenschaft ist etwas anderes.

Aufwändig durchsuchen und kartografieren sie den Seegrund, den man im Wasser schwimmend fast mit den Füßen erreichen kann, mit modernstem Equipment. Offenbar hat den Jungforschern niemand gesagt, dass sie genau an der Stelle arbeiten, wo der Konservator Matthäus Much um das Jahr 1870 den Boden bereits vom Boot aus mit Stangen und Eisenkörben durchpflügt und Zehntausende von Fundstücken in roher Manier an Land gezogen hat. Er begründete mit den kostbaren Fundstücken die Mondseekultur. Mit seiner Grabungsmethode dürfte aber heute nichts mehr an dem Platz sein, wo es ursprünglich einmal war. Nicht einmal die Position der Holzreste der steinzeitlichen Pfahlbauten ist einwandfrei gesichert. Nach Much haben dann noch jahrzehntelang Sporttaucher und Raubgräber die Fundstelle heimgesucht und der einmaligen Kulturstätte den Rest gegeben. Was will man also heute dort noch finden außer dem Abfall, den sie übrig gelassen haben?

Toleranz ist etwas anderes.

Eine Lösung des Mondsee-Rätsels bahnte sich allerdings unerwartet im Jahre 2008 von anderer Seite an. Nach einem Windbruch in den Hängen des Schafberges am Südüfer des Mondsees, kamen unter dem Waldboden die Gesteinblöcke eines gigantischen Bergsturzes ans Tageslicht, der offenbar schon in vorgeschichtlicher Zeit Teile des Mondseeufers verschüttet hatte. Das Areal wurde sofort genauestens untersucht und der Bergsturz dokumentiert. Dass es ein Bergsturz und eine dadurch ausgelöste Flutwelle gewesen sein könnte, welche die Pfahlbausiedlung von See am Mondsee zerstört hat, passt nun so gar nicht in das Weltbild der Jungforscher, die lieber unter Wasser im Schlick wühlen, als mitzuhelfen, an Land die Fakten zu sichern. Stattdessen macht sich jetzt Polemik im Kuratorium der Pfahlbauer breit.

Der erstklassig gemachte Film des bekannten Regisseurs Gerald Navara, der am Freitag Abend unter dem Titel „Mystisches Salzkammergut“ auf Servus TV ausgestrahlt wurde, gerät ins Visier der aufgebrachten Taucher. Man beanstandet, dass der Filmemacher die Frechheit besitzt, den berechtigten Lösungsansatz zum Untergang der Mondseekultur durch einen Binnentsunamie objektiv in seinem Film zu thematisieren.

Vielleicht hat es sich in Wien noch nicht herumgesprochen, dass wir mittlerweile im 21. Jahrhundert leben, wo Meinungsfreiheit herrscht und Forschungsergebnisse nicht per Dekret eines Kuratoriums bestimmt werden.

Grundsätzlich gilt, wer die Fakten anderer Forscher nicht ertragen und andere Meinungen nicht tolerieren kann, der hat in der Wissenschaft nichts verloren und sollte sich schnellstens einen anderen Job suchen.

Dipl.Geol.Univ. Alexander Binsteiner
Geologe, Geoarchäologe und Paläontologe


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Veröffentlicht am 29.05.2016